Die Tertiärprävention konzentriert sich nach einer Erkrankung auf die Wiederherstellung der Gesundheit. Ziel der Tertiärprävention (Rehabilitation) ist, einen Rückfall, eine Chronifizierung oder einen Folgeschaden zu verhindern bzw. zu lindern. Insbesondere in der Onkologie spielt die Tertiärprävention eine wichtige Rolle, um das Langzeitüberleben zu verbessern und die Lebensqualität zu steigern.
Was ist Langzeitüberleben?
Dank der Fortschritte in der Medizin steigen die Überlebensraten und eine Krebserkrankung kann immer häufiger als chronische Erkrankung angesehen werden. In der westlichen Welt überleben inzwischen mehr als 65% eine Krebserkrankung mehr als fünf Jahre. Allein in Deutschland leben circa vier Millionen Langzeitüberlebende nach einer Krebserkrankung. Unter den Langzeitüberlebenden finden sich zunehmend auch Frauen mit bzw. nach Eierstockkrebs: Etwa ein Drittel der Frauen werden zu Langzeitüberlebenden. Trotz der steigenden Zahlen an Langzeitüberlebenden wurde das Thema Langzeitüberleben bisher sowohl in der Laienpresse als auch wissenschaftlich sehr wenig beachtet.
Wie wird Langzeitüberleben nach gynäkologischer Krebserkrankung definiert?
Die Definition von Langzeitüberleben in der Literatur ist sehr uneinheitlich. Daher wurde im Rahmen des Fachkongresses 2019 in Athen der weltweiten Gemeinschaft der gynäkologisch-onkologischen Studiengruppen folgende Formulierung festgehalten: Langzeitüberleben ist als Überleben von mindestens fünf Jahren nach Erstdiagnose einer gynäkologischen Krebserkrankung zu definieren.
Die Gruppe der Langzeitüberlebenden nach Eierstockkrebs ist sehr heterogen. Zum einen gibt es Frauen, die einmal in ihrem Leben an Eierstockkrebs erkrankt sind und als geheilt gelten und zum anderen gibt es Frauen, die ein Rezidiv (Rückfall) oder sogar mehrere Rezidive bekommen haben und aktuell eine Therapie erhalten.
Sind Langzeitüberlebende gesünder?
Langzeitüberlebende gelten häufig als gesünder und in der Literatur ist wiederholt beschrieben worden, dass bestimmte Vorerkrankungen, wie z.B. ein Diabetes mellitus oder eine kardiovaskuläre Vorerkrankung, mit einer schlechteren Prognose assoziiert sind. Im Rahmen einer Charité-Studie „Carolin meets HANNA“ wurden Langzeitüberlebende Patientinnen verglichen mit Patientinnen, die innerhalb von fünf Jahren nach Erstdiagnose verstorben sind. Es konnten keine Unterschiede an Vorerkrankungen oder Medikamenteneinnahme festgestellt werden.
Zur Info:
Für ein langes Leben – unabhängig von einer Krebserkrankung – gelten u. a. der regelmäßige Verzehr von Kreuzblütlern (Brokkoli, Spitzkohl, Süßkartoffeln), Beeren, Nüssen, Granatapfel, Avocado, grüner Tee, Leinsamen, Vollkorngetreide, grünes Blattgemüse und Tomaten als günstig. Eine fleischarme oder vegetarische Kost scheint zu einer Senkung des Krebsrisikos zu führen, so ist zum Beispiel das Risiko an Brustkrebs zu erkranken um 23%erhöht bei regelmäßigem Verzehr von rotem Fleisch. Es gibt somit Hinweise, dass sich eine gesunde Ernährung günstig auf den Krankheitsverlauf auswirkt, jedoch gibt es bisher keine wissenschaftlichen Untersuchungen zur Ernährung von Langzeitüberlebenden mit Eierstockkrebs.
Welche Rolle spielt die Psyche?
Die Psyche und damit verbunden die persönliche Resilienz scheinen ebenfalls eine Rolle im Krankheitsverlauf zu spielen. Nicht ohne Grund wird jeder Krebspatientin eine psychoonkologische Beratung bzw. Begleitung angeboten. Mehr Informationen hierzu finden Sie im Beitrag zu supportiven Angeboten.
Geheilt aber nicht gesund?
Als Krebspatientin sehen sich noch 52% aller Langzeitüberlebenden. Selbst bei den Frauen ohne aktuelle Therapie sehen sich noch 28% als Krebspatientin. Dies könnte u. a. damit zusammenhängen, dass mehr als die Hälfte der Langzeitüberlebenden noch Symptome haben.
Nachsorge und dann?
In Deutschland stellen sich Patientinnen mit Eierstockkrebs in der Regel fünf Jahre regelmäßig vor – danach gelten Krebspatientinnen meist als geheilt. Dies trifft zwar zum Großteil auf die Krebserkrankung als solches zu, jedoch nicht unbedingt auf mögliche Langzeitnebenwirkungen und Ängste, z.B. vor einem späten Rückfall der Erkrankung.
Die Survivorship Clinic — ein Novum
Bisher gibt es in Deutschland keine spezielle Sprechstunde für Langzeitüberlebende, daher wird aktuell an der Frauenklinik, dem Europäischen Kompetenzzentrum für Eierstockkrebs, am Campus Virchow-Klinikum der Charité – Universitätsmedizin Berlin eine Sprechstunde für Langzeitüberlebende nach bzw. mit gynäkologischer Tumorerkrankung (Eierstock‑, Eileiter‑, Bauchfell‑, Gebärmutterhals– und Gebärmutterkörperkrebs) aufgebaut. Ziel der Sprechstunde ist die Verbesserung der Lebensqualität und des Gesundheitszustandes der Langzeitüberlebenden, die (Früh-)Erkennung und Behandlung von Langzeitnebenwirkungen und Schaffung eines multimodalen und interprofessionellen Therapiemoduls. Jede Patientin soll einen individuellen „Survivorship-Care Plan“ erhalten, wie er bereits in der aktuellen Leitlinie empfohlen wird, der auch eine Beratung hinsichtlich Lifestyle-Aspekten wie Ernährung und physische Aktivität beinhaltet. Die Etablierung dieser „Survivorship-Sprechstunde“ wird gefördert durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen.
Sind Sie Langzeitüberlebende und haben Interesse an der Sprechstunde?
Dann können Sie sich bereits jetzt anmelden unter survivorship-clinic@charite.de oder im Kontaktformular auf www.survivorship-clinic.de